29.11.12

»Hau wech, die Scheiße!« - immer schwerer für Japaner ...

... die sowieso schon bis zum Hals in der Scheiße stehen, bildlich gesprochen. Bei der immensen Verschuldung Japans kann man ja auf den Moment warten, wo das Land zusammenbricht ... Einwanderung wollen sie auch nicht, und die Kinderzahl ist gering, und so kam es, daß heuer zum ersten Mal die Verkaufszahl von Windeln für Erwachsene die von Kinderwindeln übertrifft: Ein Menetekel für Deutschland?
»Ich freu mich aufs Altersheim«, bekannte mal ein Windelfetischist gegenüber einer Profidomina, »da hab ich endlich die ganze Zeit Windeln - ohne Zusatzkosten!« Nur ob er dann noch Geilheit hat, das ist die Frage ...
Zum Abschluß ein Witz:
»Papa«, fragt Klein Fritzchen seinen Vater, »wie ist das eigentlich mit Regierung und Staat und Kapitalismus und Gewerkschaft? Unser Lehrer versucht uns das immer zu erklären, aber ich kapier das nicht so recht!«
»Also paß mal auf, mein Junge: Ich bringe in unserer Familie das Geld nach Hause, also bin ich der Kapitalismus. Deine Mutter verwaltet das Geld, also ist sie die Regierung. Opa paßt auf, daß alles mit rechten Dingen zugeht, also ist er die Gewerkschaft. Unser polnisches Dienstmädchen, das ist die Arbeiterklasse. Wir machen das alles, damit es DIR gutgeht, also bist du das Volk. Dein kleiner Bruder, der noch in den Windeln liegt, das ist die Zukunft. Hast du das verstanden, mein Junge?«
»Ich werde darüber nachdenken und darüber schlafen.«
»Tu das, mein Junge!«
Nachts wacht Fritzchen auf, weil er aufs Klo muß. Auf dem Weg dorthin hört er Geräusche im Schlafzimmer der Eltern und späht durch die nur angelehnte Tür. Er sieht, wie der Vater das Dienstmädchen bumst, während die Mutter seelenruhig daneben schnarcht und Opa vom Balkon aus zuschaut. Alle sind so beschäftigt, daß sie ihn, Fritzchen, gar nicht bemerken.
Fritzchen geht aufs Klo und danach wieder ins Bett und schläft weiter.
Am nächsten Morgen fragt ihn der Vater: »Nun, Fritz, hast du über das nachgedacht, was ich dir gesagt habe?«
»Ja, Papa!: Der Kapitalismus mißbraucht die Arbeiterklasse, während die Regierung seelenruhig schläft und die Gewerkschaft untätig zuschaut. Das Volk wird vollkommen ignoriert, und die Zukunft liegt in der Scheiße!«

Ich wünsche allen Lesern einen frohen Ersten Advent!

28.11.12

Marterpfahl - der Klassiker-Verlag

Das wolle er mir nicht vorenthalten - mit diesen Worten mailte mir Autor Gerwalt einen Screenshot von Amazon.de: Sein Titel »Marie-Charlotte - Kerker, Ketten und Karibik« hatte Rang 98 in der Rubrik »Belletristik, Klassiker« erreicht :-)
(Inzwischen scheinen die Amazonianer jedoch ihren Irrtum erkannt zu haben. :-(  )

Sie zerstören, was sie zu schützen vorgeben

»Die meisten Umweltschutzorganisationen (BUND, Umwelthilfe etc.) sind von der Erneuerbaren-Lobby unterwandert oder selbst in das Subventionssystem verstrickt. Indem sie kritiklos, unbedarft oder wider besseres Wissen in den Chor der Erneuerbaren-Lobby einstimmen, helfen sie zu zerstören, was sie schützen sollen«, schreibt ein Kommentator unter diesem Artikel. Die Auswirkungen des Klimawandels auf den Vogelbestand seien noch gering - um so größer die Auswirkungen des Klimaschutzes: Vermaisung und Verspargelung der Landschaft dezimieren viele Vogelarten, und wenn dann noch z. B. die rotgrüne NRW-Landesregierung die Bejagung von Elstern und Eichelhähern untersagt, dann - so etliche FAZ-Leserbriefschreiber - brauche man sich über den Rückgang der Singvogelpopulationen nicht zu wundern ...

(Auch vorm Mittelrheintal machen die Windmühlen nicht halt: Während der Bau einer Brücke schon den Weltkulturerbe-Status gefährdet, haben die UNESCO-Leute - und die sonstige politische Elite - anscheinend nichts gegen »Uwe« (=»Unsere Windenergie«). Während Thomas Gottschalk geht - er verkauft sein Schlößchen über Remagen -, kommt jetzt UWE: Rund ein Dutzend Windkraftanlagen auf den Höhen, Nabenhöhe 142 Meter ...)

R. I. P.: »Prinz«

Auch die Plapper-Postille »Prinz« soll es in Zukunft nur noch online zu lesen geben, nicht mehr auf Papier, las ich soeben in der »Achse des Guten«.

21.11.12

R. I. P.: FTD

So, jetzt ist es offiziell, was schon vor Wochen als unheilvolle Vorahnung den deutschen Blätterwald durchrauschte: Die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND hat's jetzt auch erwischt. Der Verlag Gruner und Jahr ist nicht länger bereit, die Verluste des Blattes zu tragen. Da diverse Zeitungen darüber berichten, schenke ich mir hier einen Link.

16.11.12

»Freiheit«, die sie meinen

Im folgenden Interview erklärt einer der syrischen »Freiheitskämpfer«, wie er sich die Freiheit vorstellt: Erstmal Assad wegbomben, dann die Scharia einführen und gemeinsam mit Libanesen und Jordaniern die Israelis ins Meer schmeißen - aber vorher noch in Deutschland oder in den USA zu Ende studieren dürfen. Na, Prost Mahlzeit!

Billy Six ist immer am Ball.

9.11.12

Das Cabinet des Martin Schulz: Viel Gewusel um nichts

Da besuchte neulich der Journalist Henryk Broder den Präsidenten des EU-Parlaments, Martin Schulz, und wunderte sich über die vielen Leute in seinem Büro, die geschäftig herumwuselten, obwohl sie eigentlich nichts zu tun hatten. Die Erklärung war einfach: »Präsident Schulz hat ein ›Cabinet‹. Dazu zählen: Ein Head of Cabinet, ein Deputy Head of Cabinet, der zum Zug kommt, wenn der Head of Cabinet verhindert ist, ein/eine Assistant to the Head of Cabinet, ein/eine Assistant to the Deputy Head of Cabinet, weitere Assistants und Advisers, ein Diplomatic Adviser, ein Spokesman, ein/eine Assistant to the Spokesman, vier Press Officers, ein Clerical Assistant, ein Driver und ein Personal Usher to the President, der das Essen vorkostet und die Pantoffeln des Präsidenten anwärmt. Alles in allem 38 Leute, die mit ihm zwischen Brüssel und Straßburg hin- und herfahren.« Und das alles von unseren Steuergeldern. Die Achse des Guten berichtet.

8.11.12

Deutsches Gold in New York, Flüchtlinge in die Schweiz, Streik der EU-Beamten

Der Hurrikan Sandy bringt es an den Tag: Das deutsche Gold in New York ist nur (noch) ein Fake.
Weiter unten schrieb ich, daß die Schweizer Armee sich auf Flüchtlinge u. a. aus Frankreich vorbereite. Nun, die ersten werden vorerst noch mit offenen Armen empfangen, es handelt sich ja auch um Millionäre. François Hollande sprach: »Ich mag die Reichen nicht, ich will sie schröpfen.« Das ließen die sich nicht zweimal sagen und sorgen nun durch ihre Zweitwohnsitze im bislang wirtschaftlich schwachen Kanton Jura und im Elsgau (Ajoie), der Grenzgegend zum Elsaß und Burgund, für einen kleinen Immobilienboom, zumindest bei großzügigeren Objekten (das renovierungsbedürftige Bauernhaus für 70.000 Franken wird man da schon noch finden). Über den neuen TGV-Bahnhof Mömpelgard/Belfort ist Paris ja auch keine zwei Bahnstunden mehr entfernt - ein Klacks ... Die ZEIT berichtet.
Die EU-Beamten in Luxemburg wiederum finden den Vorschlag, den EU-Haushalt zu kürzen oder auch nur einzufrieren, dermaßen empörend, daß sie in Luxemburg jetzt streiken wollen »gegen die nationalen Egoismen« - und für ihren eigenen. Der EU-Haushalt müsse mindestens auf 1033 Milliarden Euro aufgeblasen werden, um diverse Programme durchführen zu können ... (... natürlich mit Hilfe von Beamten ...) 

In solchen Kästen nisten sie zu Tausenden, hier in Luxemburg-Stadt, aber ebenso in Brüssel oder Straßburg ...
Das LUXEMBURGER WORT berichtet über diesen Aufstand der Sesselfurzer. (Schade eigentlich um das Großherzogtümchen, dieses nette kleine Ländchen von der Größe des Saarlands mit seinen lieblichen Landschaften, seiner niedlichen Mischung deutscher und französischer Elemente - aber sie sitzen so sehr im Herzen dieser bürokratischen Krake namens EU, daß sie da nie wieder rauskommen ...)

6.11.12

Wochenendbummel: Frankfurter Buchmesse 2012 (Teil II)

Samstag, 13.10.2012:

Frühstück beim Bäcker an der Ecke, dann Fahrt mit dem Auto zum Bahnhof Nehren. Ich hatte ja nicht nur meine Sporttasche mit dem Nötigsten für 3 Übernachtungen dabei, sondern auch eine ziemlich schwere Tasche mit Büchern für eine Lesung am Sonntag, die mußte ich nicht unbedingt einen Kilometer weit von meinem Haus bis zum Bahnhof schleppen.
8:16 Uhr Bummelzug nach Tübingen. Eilzug nach Stuttgart. Die Fahrkarte für 64,- € (hin und zurück) hatte ich im Internet gebucht. Weiter mit dem Eilzug nach Stuttgart. Auf dem Bahnsteig dort fiel mir siedendheiß ein, daß ich meinen Jugendherbergsausweis zu Hause vergessen hatte. Würde man mich in Frankfurt auch ohne Ausweis in die Juhe lassen? Vielleicht ja, vielleicht auch nein - und dann wäre ich ohne Quartier; auch das Auto als »Notquartier« hätte ich dann nicht ...
Die Zeit wurde knapp. Zu allem Überfluß war auch noch Gleis 11, wo mein Schnellzug nach Frankfurt abfahren sollte, eine einzige Baustelle, und aus dem Lautsprecher blökte es: »Der Zug Nr. ... nach Frankfurt fährt [wie einige andere] Stuttgart Hauptbahnhof heute nicht an - fahren Sie bitte mit dem Zug Nr. ... nach Vaihingen (Enz) und steigen Sie dort um.«
Jetzt reicht's, dachte ich und verließ den Bahnhof, warf mich in ein Taxi und ließ mich für teure 95 Euro erst zu mir (Jugendherbergsausweis!) und dann zum Nehrener Bahnhof bringen, wo ich mich ins Auto warf und nach rund 3 Stunden Frankfurt erreicht hatte.
So hatte ich noch Zeit für Gulasch mit Knödeln in einem Messerestaurant bis zu meiner Verabredung mit einer Autorin in spe. Eine Stunde sprachen wir. Ob was aus dem Buchprojekt werden wird? Wer weiß ...
Anschließend Bummel durch die anderen Hallen, Lesen der Messe-FAZ: 60 % aller deutschsprachigen Ebooks seien illegale Downloads, so hieß es (wie schon letztes Jahr). An die wirklich dicken Fische von illegalen Download-Plattformen, die etwa in Belize oder sonstigen exotischen Ländern säßen, komme man leider nicht heran. Üble Perspektiven!
Verleger Bittermann war mal wieder für eine zynische Satire gut: Er beschrieb, wie er ein Privatquartier während der Messe nicht finden konnte und anschließend als versoffener Penner im Park landete ...
18:30 Uhr. Schluß für heute. Zurück zum Auto. Das Parkhaus Rebstock ist so groß, daß es auf einem Parkdeck sogar einen Würstelbrater und -verkäufer gibt, damit man sich stärken kann für den weiten Weg zum Auto.
Rein ins Auto, am Hauptbahnhof vorbei nach Süden über den Main, ostwärts das Mainsüdufer entlang. Ich passierte die Juhe. So, jetzt nur noch unter der Bahnlinie durch und dann in diese von Kleinbetrieben und Schrebergärten gesäumte Nebenstraße, in der man gratis parken kann ...
Aber Pustekuchen: Wegen einer Baustelle an der S-Bahn-Unterführung war hier alles zu, von beiden Seiten, selbst Fußgänger wurden nicht durchgelassen, so groß war die Gefahr, daß einem etwas auf den Kopf fiel. Vermutlich mußten diese Arbeiten am Wochenende erledigt werden, damit Montag wieder alles frei war (war es auch).
So mußte ich mir mühsam mit viel Herumgekurve einen anderen Parkplatz suchen und fand ihn auch einige hundert Meter entfernt nahe der S-Bahn-Station Mühlberg.
Gepäck zur Juhe schleifen, einchecken, hoch in den dritten Stock: Zwei der vier Betten im Zimmer waren schon belegt, das dritte eigentlich auch, aber dessen »Inhaber« verbrachte die Nacht anderswo und tauchte erst am anderen Morgen auf.
Rein ins Sachsenhäuser Getümmel: Der »Struwwelpeter« ist so voll - keine Chance. Also ab in die deutsch-russische Grillstube, die jetzt eine deutsch-griechische Grillstube ist, aber allemal gut für ein großes, saftiges Steak. Anschließend noch ein bißchen trinken in einer kleinen Kneipe, nein, nicht im (proppenvollen) »Erdnüßle«.
Mein Zimmer in der Juhe war nach Norden raus: Ließ man das Fenster auf, war es zu laut, ließ man es zu, wurde es sehr stickig im Raum. Ich hatte natürlich eins der Oberbetten, die unten waren schon belegt. Also jedesmal rauf- und runterturnen, wenn man mal austreten mußte nach dem vielen Bier ...

Sonntag, 14.10.2012:

Morgens um 7 lief mir im Frühstücksraum der Juhe eine Angestellte von Klöpfer & Meyer über den Weg. Anschließend noch mal eine gemütliche Runde weiterschlafen. Um 10 mit der U-Bahn ab »Römer« drei Stationen weit bis zum Messeturm - das wäre auch 2009 schon kürzer gewesen als die S-Bahn, 10 Minuten hätte man bestimmt gespart.
Reichlich »Cosplayer« auf dem Messegelände, da fiel ich mit meiner Melone und meinem T-Shirt mit Frackaufdruck gar nicht besonders auf.
Boris Cellar traf ich, den Autor von »Sklavenjäger«; später lief mir Bernd Zeun, der SM-Kleinverleger, über den Weg, der nach meinem Stand suchte und ihn natürlich nicht mehr fand. Bei einem Kaffee erzählte er mir, daß er auch Marathons gelaufen sei, sogar mit einer bewundernswerten Bestzeit von 2:34 - und dennoch nicht zufrieden, weil er sich eine Zeit unter 2:30 gewünscht hatte. Radtouren von 200 Kilometern, das gehe noch, so sagte er, und darüber wolle er verstärkt Bücher publizieren, nicht mehr über SM.
Uli Bendrick tauchte mit einem Bekannten auf, und wir saßen in einem Stand, der von seinen Inhabern schon vorzeitig verlassen worden war, tranken Kaffee und unterhielten uns.
Ein Bummel noch durch Halle 8, wo laut Bernd Zeun ein für die englischsprachige Welt interessanter »distributor« sei, aber der war schon am Zusammenpacken, so wie nicht wenige in dieser Halle. Manche ließen einfach ihre Bücher zurück mit dem Vermerk »free books«. »EuroHorror« stand an einem Stand zu lesen - doch nicht die Währungskrise war damit gemeint, sondern eine Sammlung europäischer Horrorgeschichten.
Für mich wurde es Zeit: Ich ging zum City-Ausgang, rein in die U-Bahn (wo ich als Kuriosität noch mal fotografiert wurde von einem Messebesucher), raus aus der U-Bahn am Römer, Spaziergang im Nieselregen (die Bücher in der Tasche mühsam mit den Armen schützend) zur Jerome-Bar, einem hübschen Kellergewölbe, in dem man auch SM-Parties veranstalten könnte.
Am Donnerstag hatte hier der linke SMer Leander Sukov seine Veranstaltung »Literatur und Eierlikör« veranstaltet, als ich mit S. bereits auf dem Heimweg war, jetzt veranstaltete mein Autor Gerwalt zum Messeausklang eine Lesung, die zwar nicht sonderlich stark besucht war, aber dennoch schön.
Früh machte die Bar zu (nach einem Veranstaltungsmarathon mit viel zu wenig Schlaf für die Barbetreiber), und ich ging noch in den (diesmal halbleeren) »Struwwelpeter«, Schäufele mit Sauerkraut essen und dann noch in die »Bierstubb«, wo ein kleines 0,2-Liter-Bier nur 1,30 Euro kostet.
In meinem Zimmer hatten inzwischen zwei ältere Chinesen den Platz meiner Mitbewohner von gestern eingenommen. Ich begann mehr und mehr mit dem bayrischen Modell zu liebäugeln: Keiner über 27 darf in die Jugendherberge, damit das Gastgewerbe nicht geschädigt wird - und weil eine Jugendherberge kein Altersheim ist. Ich nahm mir vor, meine Mitgliedschaft im Jugendherbergswerk zu kündigen - halbwegs preiswerte Einzelzimmer werden sich ja wohl noch finden lassen, und dann ist Schluß mit diesem Geschnarche und Gefurze (außer es kommt von mir ;-).*

Montag, 15.10.2012:

»Bundesschuldenverwaltung« hieß sie einst realistisch und saß in Bad Homburg, »Bundesfinanzagentur« hieß sie jetzt und war in Frankfurts Norden ansässig. Dort konnte man seine »Bundesschätzchen« gebührenfrei deponieren. Wegen neuer Geldwäschevorschriften hätte ich allerdings eine Ausweiskopie an die schicken müssen, was ich unterlassen hatte. So würde man mein Konto mit dem Auslaufen der letzten dort von mir gehaltenen Bundesschatzbriefe 2013 auslaufen lassen, hatte man mir mitgeteilt. Eigentlich wäre es also nicht nötig gewesen, dort hinzufahren, aber ich wollte es interessehalber dennoch tun, meinen Ausweis vorzeigen und dann pro forma kündigen.
Fahrt mit der U-Bahn nach Norden. Aha, auch die U-Bahn verläuft hier überirdisch - und sie überquert sogar die Autobahn. Hoppla, da bin ich wohl eine Station zu weit gefahren! Zurück. Aussteigen an einer Behelfshaltestelle. Bauarbeiten. Laut Aushang würde heute abend sogar gar nichts mehr gehen auf dieser Linie.
Graues Wetter, graue, öde Bürogegend. »Der Publikumsverkehr wird sowieso 2013 eingestellt«, sagte mir der Angestellte der »Finanzagentur«. Klar, »Bundesschätzchen« gibt's bald nimmer. Alles umsonst: Das Ausweisgedöns wie meine Kündigung.
Mit der U-Bahn zurück und weiter bis in die Südstadt. Noch einmal richtig sattessen und dann ins Auto. Den Wegweisern zur Autobahn folgen - aber soll ich Richtung Würzburg oder Richtung Wiesbaden auf die A 3 einbiegen? Ich fuhr (unabsichtlich) einen Bogen über Rüsselsheim, bis ich endlich auf der Rheintalautobahn A 5 heimwärts war ...

*Bayern ist aber auch nicht mehr das, was es mal war: Zwar werden Juhe-Betten immer noch vorrangig an Jüngere vermittelt, aber seit 2005 dürfen auch Ältere in die Juhes ...

5.11.12

Worauf Schweizer Soldaten sich einstellen müssen

Während die Bundeswehr sich auf ihren Einsatz im fernen Mali vorbereitet (obwohl Afghanistan noch gar nicht passé ist - so nach dem Motto: »Von einem orientalischen Desaster ins nächste«), proben Schweizer Soldaten weitaus näher liegende / näherliegende Ernstfälle: Spanien, Portugal, Griechenland, Frankreich, Italien könnten so instabil werden, daß Flüchlingsströme die Schweiz heimsuchten. »Wenn diese Länder sich nimmer verteidigen können, verschärft das die Situation in Europa«, so der Schweizer Verteidigungsminister gegenüber der Zeitung »Schweizer Soldat«. Finstere Drohungen an die katalanischen Separatisten, man werde notfalls die »heilige Einheit des Vaterlands« mit der Waffe verteidigen oder wiederherstellen, haben spanische Militärs schon gen Barcelona geschleudert. (Es gibt ja einige Länder mit solchem Einheitsfimmel: Die Franzosen bezeichnen ihre Nationen als »une et indivisible«, die Amis sind wild entschlossen, jeden Sezessionsversuch wie 1860 im Blut zu ertränken, und lassen jeden Neubürger auf die »one and indivisible nation« schwören, und die Italiener wären von einer Sezession Südtirols auch nicht entzückt.)
Als ich letzten Herbst durch Belgien fuhr und im Autoradio auf Langwelle den Deutschlandfunk hörte, staunte ich nicht schlecht über die Wendungen der griechischen Politik: Auf einmal setzte Premier Papandreou einen Volksentscheid über die Sparpolitik an, obwohl die doch angeblich alternativlos ist - und wenig später wurde das Referendum wieder abgeblasen. Worüber man in Mainstream-Medien nichts findet: Drohte das griechische Militär mit einem Putsch wie 1967? 

Hurra! Schon wieder 500 Megawatt näher ...

... an der Energiewende, nämlich der Wende von einer Situation, wo wir's im Winter hell und gemütlich hatten, zu einer Situation, die zu dem alten Spruch paßt: »Atomkraftgegner überwintern / bei Dunkelheit mit kaltem Hintern.«
Schon letzten Winter stand das Stromnetz in Süddeutschland zwei- oder dreimal am Rande des Kollapses, und zwar keineswegs nur während der Kältewelle in der ersten Februarhälfte 2012, sondern auch vorher schon bei naßkalt-stürmischem Spätherbstwetter (ähnlich dem aktuellen Wetter).
Und noch'n alter Spruch: »Heute stehen wir am Rand des Abgrunds, morgen werden wir schon einen Schritt weiter sein.« Hier ist der Schritt: Heute sind laut Bundesnetzagentur noch mal 500 MW weniger am Netz als letzten Winter! Halleluja! Da können wir nur noch auf den Klimawandel (was ist eigentlich schlecht an dem?) und auf einen gnädigen, milden Winter hoffen ... (... oder uns schon mal mit Notstromaggregaten eindecken wie in den USA - billige um die 100 Euro finden Sie, verehrter Leser, auf amazon.de unter »Stromerzeuger«.)

4.11.12

Im Eiltempo: Frankfurter Buchmesse (Teil I)

Donnerstag, 11.10.2012

»Endlich hab ich meinen alten Campingbus durch den TÜV gebracht«, verkündete mein Freund, der Journalist S., wenige Tage vor unserem gemeinsamen Aufbruch zur Buchmesse. »Wir können also am Donnerstag abend gemütlich ein paar Bier trinken gehen und dann ausschlafen, und ich fahr am Freitag weiter zu Verwandten ... «
»... und ich soll dann am Freitag teuer mit dem Zug nach Hause fahren oder im messemäßig überfüllten Frankfurt ein überteuertes Hotelzimmer suchen, um die Nacht zum Samstag zu überbrücken?« (Am Wochenende wollte ich ein zweites Mal auf die Messe, aber die Jugendherberge hatte zwar von Samstag bis Montag, nicht aber von Freitag auf Samstag noch ein Bett frei gehabt.)
S. sah schließlich ein, daß wir bei unserem ursprünglichen Plan bleiben sollten: Am Donnerstag morgen hin, am Donnerstag abend zurück, auch wenn's stressig sein sollte. Und so klingelte ich denn morgens um 6 bei S., und wenig später saßen wir beide in seinem Kleinwagen und rollten gen Stuttgart. Selbst zu diesem frühen Zeitpunkt war die B 27 schon sehr belebt; ohne die (unbeliebten) neuen Pförtnerampeln an den Zufahrten rund um Filderstadt wäre der Verkehrskollaps jetzt schon da, nicht erst um halb 8. Als wir uns der A 8 näherten, war dort schon ein Riesenstau, vermutlich bis Leonberg - wir fuhren durch die Stadt und dann nördlich davon auf die A 81.
Ich löste S. am  Steuer ab, denn der wollte an seinem Laptop arbeiten und hatte außerdem noch weniger Schlaf gehabt als ich: Am Vorabend war er mit dem frischrenovierten Campingbus und einer Bekannten in Stuttgart im Kino gewesen und dann noch auf einen Wein in einem Lokal - und dann hatte er den Campingbus nicht mehr aus der inzwischen geschlossenen Tiefgarage holen können. Taxi kam für ihn nicht in Frage, und bis ihm dann das Herausholen des Busses durch den Wirt einer Kneipe nebenan doch noch gelang, war die halbe Nacht schon vorbei. (Als mich S. 2011 auf meinem Buchmessenstand besucht und auf meine Lesung begleitet hatte, hatte er nachts sein Auto mangels Kleingeld - 11 € lautete der Preis - auch nicht mehr aus dem  Messeparkhaus Rebstock auslösen können, mußte einem anderen Besucher den Ausfahrtschein abkaufen.)
Mit dem heute auf deutschen Autobahnen üblichen Wechsel zwischen freier Fahrt und Stau erreichten wir nach rund 3 Stunden Fahrt Frankfurt - rein ins Parkkhaus Rebstock, dann trennten sich unsere Wege: S. nahm den Shuttle-Bus zur Halle 3, ich den zur Halle 8, wo ich über den Eingang Galeria gewissermaßen »von hinten« ins Messegelände eintrat. Lang war der Fußmarsch bis in Halle 4, wo ich erst mal eine Messe-FAZ abgriff (die des Vortags hatte die Hallenaufsicht diesmal nicht, ich mußte sie mir irgendwo besorgen, etwa dort, wo in Halle 5 einige Orientalen ihre Stände nicht bezogen hatten und daher alte Prospekte und Zeitungen herumflogen und -lagen) und auf die Suche nach alten Bekannten ging: Die »Künstlerin« hatte ihren (vergrößerten) Stand jetzt eine Reihe weiter und erzählte mir am Donnerstag, Samstag und Sonntag sehr viel davon, wie sie - sie ist sehr begeisterungsfähig - irgendwelchen ukrainischen Fotografen und deutschen Lyrikern zu Aufträgen verholfen hatte.
GOLIATH eroberte nicht mehr die Welt, sondern mußte wegen des Absatzrückgangs kleinere Brötchen backen, aber immerhin, für eine Vitrine in der Durchgangshalle reichte es noch, und der Stand war schön wie eh und je. Unsere Bekannte von den zwei letzten Buchmessen war zwar nicht mehr als Messegirl dabei, aber das Wiedersehen mit den Verlegern erfreute - auch wenn sie ein wenig sauersüß lächelten, als sie merkten, daß ich all meine »Dates« an ihren Stand bestellt hatte.
Fast alle. Arne Hoffmann traf ich woanders, in Halle 3.1., wo er nach unserer Verabredung noch ein Treffen mit einem seiner anderen Verlage hatte.
Zuvor wollte ich aber bei der Signierstunde des Emirs von Schardscha dabei sein; die veranstaltete der u. a. auf Orientalica spezialisierte Olms Verlag, der die - man höre und staune - zweibändige Biographie des Herrschers verlegt hatte. Man erinnere sich: 2011 hatte ich der Eröffnungsveranstaltung der Frankfurter Buchmesse beigewohnt, hatte Westerwelles langweiliger Rede gelauscht und bei den isländischen Beiträgen auf die Übersetzung verzichtet. Der knorrig-altertümliche Klang des Isländischen war mir interessanter gewesen als die literarisch verbrämte Selbstbeweihräucherung der Vulkaninsulaner. Am Ende der Veranstaltung verkündete dann der Mann am Mikrophon: »Bitte warten sie auf Ihren Plätzen, bis die Ehrengäste alle ausmarschiert sind« - und zu denen gehörte auch »der Herrscher von Schardscha«. Ich hoffte auf einen Mann im Nachthemd mit einem Gefolge tiefverschleierter Frauen, entdeckte aber nichts dergleichen und war etwas enttäuscht. - Auch jetzt konnte ich beim Stand des Olms Verlags zu vorgesehener Stunde zwar einige orientalisch wirkende Herren in korrekter (europäischer) Kleidung sehen, aber keinen Emir. Vielleicht übersah ich ihn ja einfach, denn ich hatte natürlich mal wieder nach einem Herrn mit Geschirrtuch und Gummibändern auf dem Kopf Ausschau gehalten, und dabei war der Emir doch vielleicht wieder »in Reisekleidung« erschienen, d. h. in Anzug und Krawatte, so wie am Vortag beim Abendempfang des Olms Verlags, wo er (laut Messe-FAZ) von diversen Lobrednern ob seiner arabischen Version von Demokratie gepriesen worden sei, wodurch der gleichfalls anwesende Hans Magnus Enzensberger immer wieder ins Kichern gekommen sei.
Seltsam eigentlich: Kaum hatte ich keinen eigenen Stand mehr auf der Buchmesse, hatte ich mehr Termine als je zuvor. Ich traf mich mit einem Autor, der anderswo schon als Autor Geld verdient hatte und nun ein SM-Manuskript schrieb, das aber jugendschutzrechtlich problematisch war. - Ein Journalist, der in einem Sabbatjahr einen nicht sonderlich originellen, aber flotten SM-Roman geschrieben hatte, hatte zwei Tage vor der Messe einen Rückzieher gemacht: Er habe sich für einen anderen Verlag entschieden, der wilder und heißer auf sein Manuskript gewesen sei, als ich es war. Na dann ...
Noch einmal ein Rundgang durch die Hallen, soweit die Zeit reicht. Paßgenau zur Buchmesse erschien die 1000. Ausgabe der Jungen Freiheit, die einen himmelwärts zischenden Supermann auf dem Titelbild zeigte. »Unglaublich!« dazu die Gedankenblase einer hübschen Beobachterin, und unten der Vermerk: »Garantiert ohne Grass-Gedicht!«
Beim Stand der »Künstlerin« traf ich S. wieder, und nach dem Schlußgong gingen wir gemeinsam zur Garderobe am Ausgang Galeria, wo ich meine Überklamotten auslöste, dann zum Bus und dann ins Auto. Trotz seines Schlafmangels war S. durch die vielen interessanten Messe-Erlebnisse ziemlich aufgedreht. In Tübingen gingen wir noch ins irische »Saints and Scholars«-Pub im Universitätsviertel, in dessen Nähe S. seinen Campingbus abgestellt hatte. Mit dem brachte er mich dann noch zu meinem Auto und ich mich anschließend mit demselben nach Hause, wo ich gegen Mitternacht ankam ...

2.11.12

Villen im Grunewald: Berlin-Marathon (Teil IV)

Montag, 1.10.2012:

S. wird heute nachmittag beruflich unterwegs sein: Er interviewt eine Filmgröße in ihrer Grunewald-Villa. Ich mußte den Tag halt anderweitig rumbringen. Ich wußte auch schon, wie: Auf der Leipziger Buchmesse hatte ich diverse Anbieter schöner Massivholzregale gesehen, einige mehr was für die Bedürfnisse des Buchhandels, andere auch für Privaträume geeignet, einer war in Kleinmachnow, wenige Kilometer südöstlich des Wannsees (den ignorierte ich), ein anderer in der Suarezstraße im Westen Berlins.
Doch zunächst ein Spaziergang durch die Wannsee-Villenviertel, die wir bei der Anreise gesehen hatten: Herrlich. Die schönen hundertjährigen Häuser inmitten hundertjähriger Bäume - herrlich.
Nach ausgiebigem Spaziergang mit der S 7 stadteinwärts, schon nach einer Station im Grunewald wieder aussteigen, zu Fuß weitergehen ...
Die Suarezstraße entpuppte sich als eine etwas öde Straße, in deren Mitte aber eine erstaunliche Häufung von Antiquitätenläden war, darunter auch der von mir gesuchte Massivholzregalladen. Schöne Regale, aber einfach zu teuer ...
Das war's nun eigentlich, ich ließ mich treiben, trank hier mal ein Duckstein, kaufte da ein Buch mit Mauerfotos, drückte mich herum, bis es gegen acht Uhr abends Zeit war, sich wie verabredet im »Mommseneck« sehen zu lassen, wo S. und sein Bruder, wie sich herausstellte, schon lange warteten, S. ins Gespräch mit einer drahtigen, durchtrainierten Triathletin vertieft, der der Berlin-Marathon »viel zu lasch« war.
Ein schöner, feuchtfröhlicher Abend folgte, bis wir gegen Mitternacht mit den letzten Gästen das Lokal verließen.

Dienstag, 2.10.2012:

Am Vormittag fuhr ich noch mal raus ins Grunewald-Viertel, machte einen Besichtigungsspaziergang zu den Villen, von denen S. mir vorgeschwärmt hatte, und war um 12 wieder im Lokal »Spinnerbrücke«, wo S. schon saß. Wir aßen beide Schweinebraten mit Kruste, S. mit Bier, ich mit Faßbrause.
Gegen 13 Uhr Abfahrt. Wir kamen flott voran. Im Thüringer Wald wieder Bockwurst mit Kartoffelsalat. Gegen 19 Uhr waren wir zwischen Heilbronn und Stuttgart und gerieten in »zähflüssigen Verkehr mit zeitweiligem Stillstand«, wie es so schön heißt. Um 8 auf dem »Stammtisch unser Huhn« in Tübingen zu sein, das ging also leider nicht - aber um 9 ...

*****Nachtrag: Der Berlin-Marathon war innerhalb weniger Stunden ausverkauft - so was hat's noch nie gegeben. Ich müßte also zu irgendwelchen Tricks greifen, um wieder mit dabei zu sein. Ich weiß noch nicht, ob ich wieder hingehen werde ...

1.11.12

Goldelse im Sonnenglanz: Berlin-Marathon 2012 (Teil III)

Nach unruhiger Nacht war ich schon wach, als um halb 7 der Wecker klingelte. Blick aus dem Fenster: Bedeckt, trocken. Das sei doch besser zum Laufen als Sonnenschein, meinte mein schottischer Zimmergenosse, der auch schon wach war und mir beim Duschen den Vortritt ließ.
Frühstück gab's mit Rücksicht auf die Marathonis (in dieser Juhe vielleicht ein bis zwei Dutzend) heute auch schon um 6 statt erst ab 7.
Zurück aufs Zimmer. Die Startnummer mit Sicherheitsnadeln ans T-Shirt fummeln kann ich auch noch in der S-Bahn, dachte ich und eilte um Viertel nach 7 aus dem Haus. Die Eile hätte ich mir sparen können, denn an der S-Bahn-Station Nikolassee angekommen, mußte ich 17 Minuten auf den nächsten Zug warten (der vorige war mir wohl gerade vor der Nase weggefahren), und so war es schon fast 8, als ich endlich am Hauptbahnhof aus der schon reichlich vollen Bahn stieg.
»Um 8 auf der rechten Seite der Fußgängerbrücke über die Spree« war unser vereinbarter Treffpunkt, aber es war nicht möglich, auf der rechten Seite der Brücke stehenzubleiben, zu schmal war die Brücke, zu dicht der sich über sie wälzende Fußgängerstrom - so ging ich weiter nach Süden und am Südufer nach rechts, blickte dem Menschenstrom entgegen. Um 8.07 Uhr sah ich sie endlich, S. und seine Freundin - sie hatten auf dem rechten Flußufer (in Fließrichtung) gewartet, also am nördlichen Brückenfuß ...
Klamotten abgeben, S. mußte auch noch aufs Klo und schmuggelte sich weiter vorn in eine der endlosen Schlangen vor den Klo-Kabinen, sonst hätte die Zeit bis zum Start gar nimmer gereicht (daher ist es immer besser, früher aufzustehen, dann kann man das noch »zu Hause« erledigen), und endlich standen wir im Startbereich. Der Himmel war blau geworden, trotzdem wurde es im Laufe des Tages nicht zu heiß, und die Victoria, die »Goldelse« auf der Siegessäule, erstrahlte vor blauem Hintergrund im güldenen Sonnenschein, während wir noch im Schatten der Bäume des Tiergartens bibberten, obwohl der Moderator am Lautsprecher wacker versuchte, uns einzuheizen. Der Moderator machte gute Stimmung, Til Schweiger und Didi Hallervorden machten Stimmung für ihre neuesten Filmprodukte, Hallervordens Film hieß passenderweise »Der letzte Lauf«, und der Star wollte, so tönte es über den Lautsprecher, auch ein paar Kilometer mitlaufen. (S. sah ihn später - so zwischen Kilometer 5 und 10 -, ich, weiter hinten, sah ihn nicht.)

9 Uhr - der erste Startschuß ertönte - janz weit vorne, ganz weit entfernt von unserem »Loserblock«, wie S. ihn nannte. 9.23 Uhr war's, als S.' und ich schließlich über die Startlinie joggten, vor uns eine kleine Schwarze mit einem Bienchenkostüm und viele andere in lustigen Verkleidungen. Ich trug ein T-Shirt mit Frackaufdruck (nicht dasselbe wie in Stuttgart, ein anderes mit einer aufgedruckten roten Rose im Knopfloch) und meinen steifen Hut (eine Melone also).
Wie eine Insel umspülte der Läuferstrom die »Goldelse«, vereinigte sich wieder, floß weiter westwärts bis zum Ernst-Reuter-Platz, gut zwei Kilometer vom Start entfernt, bog dort nordwärts nach Moabit ab, zwängte sich durch eine engere Straße ... Mühsam hielt ich mit S. schritt, obwohl er gar nicht so schnell lief, vielleicht 9 km/h. Wir unterhielten uns über dies und jenes. Ich: »Deine Stimme hört sich aber auch gepreßter an als letzten April beim Solitudelauf« (da hatte er diesen Eindruck von mir gehabt). Er: »Kein Wunder bei der miesen Vorbereitung!«
Bei der Kilometer-3-Markierung ließ ich mich zurückfallen, wir verabschiedeten uns voneinander, S. zog davon.
Vor der Schweizer Botschaft ganz in der Nähe des Reichstags munterten Kuhglocken und (wie an etlichen anderen Stellen) Jazzbands die Läufer auf ...
Über den weiten, öden Alexanderplatz. Ein Passant, ähnlich mollig wie ich, knipste mich und sagte: »Ich beneide Sie!«
Yorckstraße, Kreuzberg:: Wieder diese muffigen Eisenbahnunterführungen. An einer Stelle stand eine ganze Menschentraube auf der »Blauen Linie« (der man folgen sollte, will man keinen Meter verschenken). Wie die schnellen ersten Läufer da wohl durchkamen? Vermutlich wie Asterix und Obelix beim Durchbrechen der römischen Linien: Da wirbeln nicht nur die Beine, da wirbeln auch die Fäuste, und: ZACK! fliegen links und rechts in hohem Bogen die Römer davon ...
Nach 2:55, zwei Minuten schneller als beim Stuttgarter Halbmarathon, erreichte ich die Halbmarathonmarke. So - nun werde ich die zweite Hälfte nur noch flott spazierengehen, dachte ich. Endlich einmal Zeit, alles in Ruhe zu betrachten. Ich leerte den Inhalt meiner Trinkflasche (Red Bull) und begann, mit 6 bis 7 km/h walkend, den Lauf zu genießen. Endlich einmal Kraft und Muße, all die Kinderhände abzuklatschen, den Hut grüßend zu lüpfen (wegen meines Outfits bekam ich viel Aufmerksamkeit), sich links und rechts alles anzuschauen ...
Immer weiter Richtung Südwesten ging's, Richtung Zehlendorf. Manche Backsteinhäuschen am Rande der Strecke hätten auch in Holland stehen können, manche Holzhäuser im Thüringer Wald oder in Skandinavien. Die Felder einer landwirtschaftlichen Versuchsanstalt gaukelten Nähe zum Stadtrand vor - der aber in Wirklichkeit natürlich noch ein Stückchen entfernt ist ...
Immerhin gelang es um 1900 einem wilden Eber, in ein Gartenlokal vorzudringen und dort alles zu verwüsten - woraufhin der betreffende Platz in Schmargendorf, einer der südwestlichsten des Berlin-Marathons, fortan »Platz zum wilden Eber« hieß. Als ich mich ihm näherte, sah ich vor mir eine schlanke, junge Blondine, - eigentlich müßte sie mir bei ordentlichem Training locker davonlaufen -, die mir schon am Start aufgefallen war. »Sie sehen noch so beneidenswert frisch und locker aus!« rief sie mir zu. Ich war geschmeichelt, mußte aber daran denken, daß ich beim Wien-Marathon 2007 bei derselben Zeit schon locker ein halbes Dutzend Kilometer weiter war ... Immerhin taten meine Füße nicht ganz so weh wie sonst - vielleicht lag das aber auch an den drei Aspirin, die ich in mein »Red Bull« gemischt hatte.
Endlich ging es nach einem Rechtsschwenk wieder stadteinwärts - zunächst auf dem nicht enden wollenden Hohenzollerndamm, dann wurde auf einer Brücke der Autobahnring überquert, auf dem sich (unseretwegen vielleicht) der Verkehr staute, und irgendwann war der Kurfürstendamm erreicht. Nur wenige Läufer und Walker wurden flankiert von vielen Zuschauern. Ich kam in den Bereich eines Lautsprechers. Michel Descombes wurde interviewt, der »Spaßpräsident«, der nicht nur in Berlin im Clownskostüm vor allem den schwächeren Läufern Mut zuzusprechen pflegt. Einst ein sehr guter Läufer mit einer Marathonbestzeit von 2:50, hatte er noch jetzt - auf seine alten Tage - mehr »Biß« drauf als ich, er lief mir nach dem Interview davon (was allerdings auch keine große Kunst war). Immerhin wußte ich durch das Interview endlich mal, wie alt er ist: 71.
Vorbei an der Gedächtniskirche, an der vor 1990 der Zieleinlauf war (Start war auf der Wiese westlich des Reichstags). Mühsam krochen die Kilometer dahin. Einbiegen auf die »Potze«, die Potsdamer Straße, die B 1. Die Musiker am Potsdamer Platz (Kilometer 38) hatten netterweise noch nicht eingepackt. »Nur noch vier - dann gibt's Bier!« pflegten hier 2005 Cheerleader zu skandieren. Vorbei an den DDR-Blöcken der Leipziger Straße und später am schön restaurierten Gendarmenmarkt. Dann lange auf der Französischen Straße westwärts, erst spät ging's auf den Boulevard »Unter den Linden«, vielleicht wegen der Baustelle dort.
Der große Moment naht, der manche zu Tränen rührt: Unter dem Brandenburger Tor durch! Die Zahl der Zuschauer war inzwischen locker fünfmal so hoch wie der zu einem Rinnsal gewordene Läuferstrom. Und ich lief ja noch nicht mal richtig, ich walkte nur. (Noch 2002 wurde in Gegenrichtung gestartet, und gleich hinterm Start gab es vor und unter dem Brandenburger Tor einen Stau.)
Unter dem Brandenburger Tor war ich durch, ich war wieder in Westberlin, passierte das 42-Kilometer-Schild, der »Spaßpräsident« war wieder da, erkannte mich auch wieder, ich war ja wegen meines Outfits auffällig genug, noch ein kleiner Schlußspurt auf den letzten 50 Metern, ich lief über die Matte, das Erfassungsgerät piepste - aus! Das war's mal wieder! 6:21:39, mein langsamster Marathon - aber ein schöner, gemächlicher. Etwa drei Dutzend Läufer und Walker kamen noch nach mir.

»Spaßpräsident« Michel Descombes bei einer Laufveranstaltung (Hamburg-Marathon, glaube ich)
Mit schmerzenden Gliedern zur Klamottenausgabe, zur Chiprückgabe. Geld gab's diesmal keins, das würde später überwiesen werden - ein Glück, daß ich nicht mit dem Zwanziger gerechnet, sondern noch zusätzlich Geld eingesteckt hatte.
»Um 16 Uhr beim Schultheiß-Stand« hatten wir ausgemacht - aber den gab's gar nicht mehr. Mist! Ich tröstete mich mit Kasseler und Grünkohl sowie Bier.
»Wenn das nicht klappt, dann um 18 Uhr im Café Lebensart, Lennéstraße 1, 200 Meter südlich vom Brandenburger Tor«. Also gut. Ich setzte mich ins Café und bemühte mich, mit Zwiebelkuchen und Bier knapp zwei Stunden totzuschlagen.
Trotz des Sonnenscheins fror ich, es war kühl - drinnen und draußen -, vielleicht 15 Grad, ich mummelte mich in meine Jacke ein - die nackten Schenkel konnte ich nicht einmummeln -, und die Zeit kroch dahin.
Doch endlich war es 18 Uhr, und als ich S. und seinen Bruder auf der Straße erblickte (die Freundin war schon auf dem Eisenbahn-Rückweg), sprang ich auf, lief vor die Tür und winkte: »Huhu!«
Auch für S. war es der langsamste Lauf seiner Läuferlaufbahn geworden, 5:15 h, glaubte er zu wissen, und er freute sich wie ein Schneekönig, als er anderntags in der »Morgenpost« las, daß es doch »nur« 5:10 waren, fünf Minuten schneller als befürchtet. Schon bei Kilometer 12 sei ihm speiübel geworden, er habe ans Aufgeben gedacht, sich aber dennoch weiter vorangekämpft. Vor allem dieses Kohlehydrat-Glibberzeug sei ihm nicht gut bekommen (nicht zum ersten Mal). Da er von sich auf andere schloß, hatte er sich sogar Sorgen um mich gemacht, aber ich war vergleichsweise putzmunter.
Schließlich wurde es noch ein angenehmer, halbwegs bierseliger früher Abend, mein Frieren wich einer angenehmen Wärme, ich hatte nicht mehr den Wunsch, mich in der Juhe 20 Minuten lang unter die heiße Brause zu stellen, ich genoß den Abend, als wir über das pompös gestaltete Areal nordwestlich des Reichstags Richtung Hauptbahnhof gingen.
Ziemlich früh und ohne zu duschen fiel ich in der Juhe ins Bett ...

Die aufgeblasene Dominanz - Bofewo Spring '25, Teil 1

  Hier ist die Fa. Dominflate . Viel Spaß!   "Er war schon immer etwas aufgeblasen", kommentierte James Bond einst das Zerplatzen...