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Der urgemütliche »Bunte Ochse« in Baarle-Hertog
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Frühstück gab's
nicht in diesem »Apartmenthotel«, Heizung und Fernsehen und die
Hälfte der Lampen ging nicht – immerhin konnte man sich unter der
heißen Dusche aufwärmen. Dann waren auch bald die Fenster
beschlagen, so daß man nicht mehr von der Trambahnhaltestelle ins
Zimmer sehen konnte.
Es ist die
Küstentram, die hier hält, von Knokke an der niederländischen
Grenze bis De Panne an der französischen Grenze. 2011 war ich mit
Freund S. beim Frankfurt-Marathon, hatte meine bescheidene Wunschzeit
von 5:55 um ein paar bescheidene Minuten unterboten. Am Montag
Weiterreise. Das Brentano-Bad mit seinem riesigen Schwimmbecken,
einst von der Nidda durchströmt, war leider schon geschlossen. Also
gleich weiter Richtung Belgien. Quartier in Bad Cadzand, dem
südwestlichsten Badeort der Niederlande. Quartier im Hotel „Panta
Rhei“ („alles fließt“).
Am anderen Tag
morgens zu Fuß vom Lokal „Die weiße Kochmütze“ über die
belgische Grenze, nach einigem Herumsuchen rein in die Küstentram,
vorbei an Apartment-Klötzen, Hinterhöfen, alten Villen aus der Zeit
um 1900, Yachthäfen, dem einsamen „Hotel Sint Laureins“ und
weiter bis De Panne. Ich wollte dort den Strand entlangspazieren bis
zum drei Kilometer entfernten Bray-Dunes, dort in einem Strandlokal
ein Bierchen zischen und dann wieder zurück.
Doch die Endstation
der Küstentram war ebensowenig an der Küste wie die Anfangsstation.
Es ging von der Küste weg und über einen Vergnügungspark
„Plopsaland“ bis zur Endstation an einem Fernbahnhof.
Ich tippelte über
die Grenze nach Frankreich, und nach Bierchen und Salami ging's
wieder zurück. Ohne Taschenlampe war's fast ein kleines Abenteuer,
im Stockfinsteren den Fußweg nach Belgien wiederzufinden, den Fußweg
über ein Wiesen- und Sumpfgebiet namens „Het Zwin“. Einst ragte
hier ein Meeresarm bis nach Brügge. Als er anfing zu verlanden,
versandete auch der Reichtum Brügges. Methoden zum Ausbaggern gab's
noch nicht (heut' würden's die Grünen verbieten).
Am Morgen meiner
Abreise standen zwei Störche aus dem nahen Naturschutzgebiet neben
meinem Wagen.
In einer Teestube 50
m weiter gab's ein reichhaltiges Englisches Frühstück – draußen
auf der Terrasse, innen war alles voller Gäste mit Reservierung.
Außerdem hatte ich ja nicht den vorgeschriebenen QR-Code, und da
bleibt einem häufig nur, sich auf der Außenterrasse einen
abzufrieren.
Immerhin hatte sich
das Wetter stark gebessert: Am Vorabend, dem Abend meiner Ankunft,
hatte es an der Seepromenade so heftig geblasen, daß es kaum
auszuhalten war, zumal es eh kaum was zu sehen gab: Dunkel lagen die
Zehngeschosser da, fast kein Licht, kein Lokal, in der Ferne die
Brandung, vor der Uferpromenade ein tiefes Loch – Vorbereitungen zu
besserem Küstenschutz, wie ich später las.
Jetzt, am anderen
Morgen, lachte die Sonne fröhlich, und der Wind hatte sich fast ganz
gelegt. Da konnte man es auch auf einer Außenterrasse gut aushalten.
Spazierengehen,
essen, trinken – so verging der Tag; abends wieder Einkehr in der
Bierkneipe und früh schlafen gehen, zumal der Fernseher nicht
funktioniert. Vielleicht machte ich auch was falsch. Wenn ich zwei
Fernbedienungen bekomme, dann schalte ich wahllos und hilflos hin und
her, und vielleicht mache ich dadurch erst recht alles unmöglich …
Da
lobe ich mir das technisch fortschrittliche Finnland. In der
Jugendherberge Kajani (oder war's Joensuu?), ein altes Holzhaus,
unweit von dem (ebenfalls hölzernen) Art-déco-Bahnhof, gab's nicht
nur die früher überall im Osten üblichen doppelten Fenster (ein
einfach verglastes Fenster außen, dann ein Zwischenraum, und innen
ein zweites einfach verglastes Fenster), sondern auch ein
Schwarzweißfernseherchen ohne Stationstasten; mit einem einfachen
Drehregler zur Senderwahl mußte man den Sender jedes Mal neu
einstellen, wobei aufgeklebte Papierpfeile auf die »Stelle«
hinwiesen, wo jeder Sender zu finden war.
Einen
Frühstücksraum gab's auch nicht – der Herbergsvater brachte einem
das Frühstück ans Bett …
In
manchen Kneipen lief (auf deutsch und mit finnischen Untertiteln)
lief »Der Alte« – der alte Alte mit Siegfried Lowitz als
Kommissar Köster …
(2001 war das wohl.)
Ich
spazierte hinaus zum Hotel Sint Laureins und wieder zurück zum Dorf.
Und nach der üblichen »Bierverkostung« ging der Tag zu Ende.
Fr,
5.11.: Wieder englisches Frühstück in der Teestube. Ausgiebig
Duschen. Auschecken. Gegen Mittag ging's wieder nordwärts, nach
Middelkerke, dann landeinwärts, auf die Autobahn. Blick über die
weite, flache, grüne Landschaft – ohne Windspargel. Vorbei an
Brügge und Gent, weiter Richtung Antwerpen und vom Antwerpener Ring
weiter Richtung Luik/Liège/Lüttich (drei Namen hat die Stadt), dann
abbiegen Richtung Eindhoven (NL).
Abfahrt
nach Zoersel. Nach leichten Orientierungsschwierigkeiten fand ich das
Café Trappist wieder Nur noch bis 23.30 statt bis Mitternacht war es geöffnet , sozusagen das »Hauslokal« der nahegelegenen
Trappistenbrauerei.
Ziemlich
leer war's, und für mich blieb mal wieder nur die Außenterrasse. Auch die Gesichtswindel tragen hier noch viele,
besonders in Geschäften.
Das
»Probiertablett« mit zwei verschiedenen kleinen Kelchen zweier
Sorten Westmalle plus ein paar Käsewürfel mit Senf.
Weiterfahrt
nach Baarle-Hertog/Baarle-Nassau, dem kuriosen
niederländisch-belgischen Doppeldorf, von Grenzlinien durchzogen.
An
den Tankstellen schon am Freitagmorgen Schlangen. In der Biergrenze wählte ich einen Kasten Delirium Red (achtprozentiges Kirschbier)
und verschiedene große Flaschen anderer Starkbiere, und schon war
ich 96 Euro los. Leider vergaß ich, mir den Kassenzettel mitgeben zu
lassen. (Das Bier soll auf der Buchmesse 2022 ausgeschenkt werden,
die ich wieder besuchen werde.)
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Belgisch-niederländische »Biergrenze«
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Kurioserweise
scheint belgisches Bier mittlerweile in den Niederlanden billiger zu
sein als in Belgien selbst. Mich bis zur Firma Drankgigant durchzuschlagen, verwarf ich nach kurzer Überlegung - bis ich das finde im Industriegebiet von Vlissingen ...
Noch
ein paar Einkäufe: Pralinen für eine Bekannte. Die meisten
Supermarktkunden scannen ihre Sachen selbst ein, aber dazu braucht
man eine PIN – also nix für mich.
Der
altbekannte Käseladen hat nicht mehr viel, vor allem keine
Probierhäppchen mehr. Vielleicht würden sie den Geruch der Pralinen
stören, die auch noch feilgeboten werden …
Der Bunte Ochse hat noch Zimmer mit Frühstück (46 €). Was macht es,
daß das Türschloß hakelt und die Glotze nicht tut – das Zimmer
ist gemütlich geheizt, und so steht einem gemütlichen Bierabend
nichts mehr im Wege.
Zeitweise
gab es hier nur Jupiler, das langweilige Einheitspils, noch dazu mit
„glattgestrichener“ Schaumkrone, jetzt immerhin noch das braune
Leffe zusätzlich.
In
den ersten Wochen 2013 hatte ich hier mal übernachtet, und nachts
schlug das Wetter um, heulte der Sturm mit Blitz und Donner um das
Haus. Am anderen Morgen hatte es aufgeklärt, aber ein eisiger
Nordwind ließ einen erbeben. War der Winter bis dahin mild gewesen,
so folgte nun der kälteste und trübste Spätwinter und das
verspätetste Frühjahr seit 40 Jahren. Auf dem Rückweg nach Hause
wurde es auf der Steigung östlich von Lüttich plötzlich weiß, und
im Fünfzigkilometertempo ging's über verschneite und vereiste
Eifel-Autobahnen. Ich hätte bei dem „Bitte-ein-Bit!“-Gasthaus im
Pfälzer Wald bleiben sollen, wollte aber in einem Rutsch – das ist
das passende Wort – nach Hause fahren, vielleicht noch dem
Stammtisch Unser Huhn meine Einkäufe vorführen, darunter eine
Fünfliterflasche Chimay. Neben Viertelliterfläschchen wirkte sie
riesig. Doch die Autobahn A8, wo sie östlich vom Autobahndreieck
Karlsruhe mit langer Steigung die Höhen Richtung Pforzheim erklomm,
war spiegelglatt, und ich blieb zwischen vielen Lkw stecken, kam erst
nach Stunden wieder in Bewegung – und ich gegen 4 Uhr morgens zu
Hause an …
Ein
andermal fand hier ein Versöhnungstreffen zweier Rockervereine
statt, im Frühstücksraum, und der Zugang wurde – gegen mögliche
Feinde – von einem vereinseigenen Aufpasser bewacht. Da mußte man
fragen, wenn man mal aufs Klo wollte …
Diesmal
war's nur ein Alleinunterhalter, der eine Gefahr darstellte – fürs
Trommelfell der Zuhörer. In dröhnender Lautstärke nudelte er alte
Schlager ab – und ich verzog mich ins Bett. Ein gemütlicher Abend
war's, keiner trug ein „Maultäschle“, jeder qualmte und soff
ganz nach Gusto. So soll es sein.
SA,
6.11.: Bisher war's ohne Landkarte gegangen, jetzt mußte mal ein
kurzer Blick sein. Gott sei Dank war Herve noch am Rand der
200.000er-Deutschlandkarten mit drauf. Ab nach Eindhoven und weiter
über Maastricht nach Lüttich, dann Richtung Aachen und Vervier.
Ausfahrt 37 Herve. Mit etwas Mühe fand ich den Supermarkt wieder, wo
ich mich das letzte Mal mit diesem dufte Käse aus Herve eingedeckt
hatte (Herver Käse).
Auch
diesmal kaufte ich reichlich ein. Dann wieder auf die Autobahn, durch
die östliche, grenznahe, deutschsprachige Region Belgiens (wo auf
den Wegweisern die französische Version der Ortsnamen nicht selten
übersprüht ist), rüber nach Deutschland. Ab der Moselregion mal
eine andere Route: B 50 Richtung Mainz, dann A 61 Richtung
Ludwigshafen. Vorbei an einigen Windradwäldern. Rüber über den
Rhein nach Baden-Württemberg. Etwa um 7 Uhr abends war ich bei einer
Bekannten in Leonberg, mußte aber meine Geschenkpralinen wieder
mitnehmen. Sie war nicht da. Und bei einem Bekannten etwa 20 km weiter
(Interessent für Käse) konnte ich auch nicht mehr so
hereinschneien. Also weiter, bis ich bei einem Bier und
Räucherforelle mit Meerrettich in der Horber Kneipe Kö 23 saß,
einer Billard-, Sport und Raucherkneipe, urgemütlich. Der SPIEGEL
erging sich in Klima-Weltuntergangspanik und fand, die Migranten an
der polnischen Grenze müsse man nicht zurückweisen, sondern auf die
EU-Länder, vor allem auf Deutschland verteilen. Der deutsche
alltägliche Wahnsinn hatte mich wieder.