Mit der folgenden Story wünsche ich allen Lesern gesegnete Weihnachten. Vielleicht melde ich mich vor Silvester noch mal ... Ah, »Silvester«! Wäre ich Papst, würd' ich mich Silvester nennen - so ein hübscher Name, so locker nach Partystimmung! Und dann am 31.12. die Mitternachtsmesse managen :-) Wenn ich hier aus der gröbsten »Bürokratie« raus bin, kommen erst mal 10 neue Ebooks - und dann geht der Reigen der papierenen Neuerscheinungen wieder los, oft versprochen, diesmal wohl endlich gehalten ;-)
Die folgende Story stand gerade mal einen halben Tag im SZ-Forum, wurde verschoben und schließlich ganz gelöscht. Das Forum sei keine Plattform für Meinungsmache und Hetzereien, und seien sie auch subtil. Aha. Na ja - dann gibt's diese Story eben nur hier - diesmal in engerem Satz, kompreß, damit sie nicht ewig lang »nach unten geht«. Urteilt selbst. Hätt ich mich im gleichen Stil über andere totalitäre Ideologien geäußert, wär's sicher okay gewesen. Nun bin ich auch mal im SZ-Story-Forum gelöscht worden, das ist ja fast wie ein Adelsschlag, gelöscht zu werden von diesem »Bünzliverein«, wie es eine Schweizer Bekannte ausdrückte.
Hier ist sie, die Story (unterm Bild):
Unten: Die Pannenburka. Mehr davon siehe hier:
https://www.kjellsiebke.de/pannenburka/
Weihnachtsgeld –
eine total
verschleierte Weihnachtsgeschichte
(Sarajevo,
Dezember 202?)
Als sie nach dem
Abendessen sein »Arbeitszimmer« betrat, ahnte sie schon, worum es
gehen würde. Ein Blick auf das Doppelbett ihrer Eltern bestätigte
ihre Vorahnung.
Eigentlich war es
gar kein Arbeitszimmer. Seit Papas Arbeitslosigkeit war das einfach
nicht mehr drin. Sein auf zwei Jahre befristeter Job als Ingenieur in
Deutschland war zu Ende gegangen, und in Sarajevo blieb ihm und der
Familie nur eine immer mickrigere »Stütze«, die Suche nach einer
billigeren, kleineren Wohnung, die nur noch in einer Ecke des
Elternschlafzimmers eine Illusion von Arbeitszimmer zuließ, mit PC
und Regal voller Fachbücher – der Platz, um nachzudenken, wie es
weitergehen sollte …
»Setz dich bitte,
Sonja. Es fällt mir wieder einmal schwer, sehr schwer, dieses
Gespräch zu führen, das weißt du.«
»Ich weiß, Papa«,
sagte sie mit belegter Stimme und legte ihre Hand begütigend auf
seinen Arm.
Vor drei Jahren,
nach seiner Rückkehr aus Deutschland, war es Zeit geworden für das
erste Gespräch dieser Art. Der Umzug in die kleinere Wohnung, die
Konversion der ganzen Familie zum Islam – um etwas Unterstützung
von der Moscheegemeinde zu bekommen. Kopftücher für die Mutter und
die drei Töchter, sobald sie 14 wurden. Im besten
Konfirmationsalter, dachte Sonja
verbittert. Anmeldung von Ivanka
im Al-Ghani-Mädchengymnasium,
das vom Emirat
Maqar unterstützt wurde. Es gab eine Schülerinnenuniform nur mit
Kopftuch und eine mit Niqab. Für das Tragen letzterer gab's
monatlich 50 Euro für den
Papa des braven, frommen Mädels.
»Man
muß zugreifen, solang'
es noch Geld dafür gibt«, hatte Papa geseufzt. »Später wird’s
vielleicht einfach vorgeschrieben. Dann gibt’s nur noch Ärger für
die Unfolgsamen.« Seitdem ging Ivanka
nur noch mit Gesichtsvorhang aus dem Haus – wenigstens nicht im
tristen Trauerschwarz, sondern in den Farben ihres Gymnasium: Rot und
Blau. Wie Wonderwoman. Da kann man sich bloß noch wondern,
dachte Sonja.
Weihnachten
gab's seither nur noch hinter zugezogenen Vorhängen; zu
allgegenwärtig war die »soziale Kontrolle« durch die neuen
Moscheegemeinden-Schnüffler. Und dann gäbe es ein »Gespräch«,
das Papa noch unangenehmer wäre …
So
war das im Islam: Die Männer waren Allah untertan (und seinem
Bodenpersonal), die Frauen den Männern …
Mit
dem Schweineschmorbraten in Biersoße, dem Weihnachtsschmaus, seit
Papa in Deutschland gewesen war, wurde es auch schwierig. Zu groß
die Gefahr, daß ihn jemand beim Einkaufen beim letzten
Nicht-halal-Metzger des ganzen Viertels sah. Ohnehin war der vor
einigen Monaten fortgezogen. Wohin, wußte sie nicht. Aufs Land wohl.
Immer mehr war seine Kundschaft zusammengeschrumpft; gewachsen war
nur die Zahl der Farbbeutelattacken und Steinwürfe auf seinen Laden
– bis er irgendwann genug hatte.
Dunja
trug die Gesichtsgardine seit vier
Monaten; und
Papa kassierte – diesmal von den Gaudis, denn Dunja
besuchte (wie Sonja)
ein Gymnasium, das von Gaudi-Arabien finanziert wurde, dem ewigen
Rivalen von Maqar.
»Du weißt, daß
ich mich immer bemüht habe, euch ein guter Papa zu sein«, sagte er
bedrückt. »Aber das Geld reicht einfach hinten und vorne nicht; wir
sind auf jeden kleinen Zuschuß angewiesen, und aus Europa kommt
leider nichts als heiße Luft – keine Jobs, kein Geld, noch nicht
mal Reisefreiheit. Also muß ich das nehmen, was ich stattdessen
kriegen kann, so leid es mir für dich tut, meine Sonja.«
Sonja ergriff wieder
seinen Unterarm. »Ich versteh dich, auch wenn's mir schwerfällt«,
sagte sie mit einem Kloß in der Kehle. »Ist es das?« deutete sie
mit dem Kinn auf das Gewand, das quer über das Doppelbett ihrer
Eltern ausgebreitet lag.
»Ja«, murmelte ihr
Vater und blickte betreten beiseite. »Dunkelgrün statt Schwarz
konnte ich immerhin noch durchsetzen. Du mochtest doch Grün immer
so, und immerhin ist Grün die Farbe des Propheten.«
Auf einmal glucksten
beide vor Lachen auf. »Wie eine wandelnde Weihnachtstanne werd ich
in dem Fummel aussehen«, sagte Sonja, und auch der Vater konnte sich
ein Grinsen nicht verkneifen.
»Bis Weihnachten
kann ich aber hoffentlich noch wie bisher rumlaufen?« Auf die aus
Deutschland mitgebrachten Designerjeans war sie immer so stolz
gewesen …
Vater schüttelte
bedauernd den Kopf. »Tut mir leid, mein Kind …« Aus der
Brusttasche seines Hemds fingerte er einen 50-Euro-Schein. »Das …
›Erziehungsgeld‹« – man konnte die Ironie förmlich hören –
»… für Dezember hab ich nur unter der Bedingung gekriegt, daß du
ab sofort in der Öffentlichkeit nur noch das trägst, diesen Fummel,
und da haben die sicher auch ein Auge drauf, die Brüder.« Er
schwieg kurz, und seine Miene verfinsterte sich wieder. »Deshalb hab
ich deine guten alten Sachen alle schon in eine große Tüte gepackt,
die du morgen auf den Ibrahimovic-Boulevard mitnehmen wirst, wenn du
dich dort mit Fatima triffst.«
»Was!?« fragte
Sonja ebenso fassungs- wie verständnislos.
So fühlt sich
das also an, der Islam, die Unterwerfung, dachte
Sonja. Keine taxierenden, »ausziehenden« Blicke mehr, nichts,
gar nichts, wenn sie durch ihren Sehschlitz die männlichen Passanten
musterte. Die schienen einfach durch sie hindurchzusehen, die
muslimischen, meist bärtigen, weil sie nun eine »anständige Frau«
war, keine »Hure« oder »Nutte«
mehr; die steht unter unserem Schutz – die anderen sind
Freiwild; die christlichen, weil
sie nun eine von »den anderen« war; die geht uns nichts
mehr an. Sie war kein Lustobjekt
mehr, sondern nur noch eine
wandelnde Stoffsäule.
»Laß
dich einfach fallen in den Stoff, so weich und behütend für dich,
so voller Geborgenheit, so hart und abweisend für Wüstlinge«,
hatte kürzlich eine Mitschülerin in einem preisgekrönten Aufsatz
über die schwarzen Stoffsäulen gelobhudelt. »Laß dich einfach
fallen in den Islam, die Unterwerfung, und dir wird Gnade zuteil
werden« – und ein gütiges Geschick, keine Vergewaltigung wie
bei den schleierlosen »Nutten«, und ein gütiger Ehemann,
der dich nicht öfter als einmal wöchentlich prügelt
und nicht mehr als fünf Kinder will, dachte Sonja.
In
gehobener Stimmung, so konnte man diese nie gekannte Mischung aus
»beflügelt«, »euphorisiert« und »fassungslos« wohl
beschreiben, bog sie mit ihrer voluminösen, aber nicht allzu
schweren Tüte in den Ibrahimovic-Boulevard ein, wo die große,
altvertraute, überdachte Ladenpassage begann. Kein Wunder, daß
ich gestern bloß Bahnhof verstanden hab'. ›Bahnhof‹
im Sinne von ›Nix wie weg von hier‹. Wer hätte auch ahnen
können, daß unsere gute alte Ivo-Andric-Straße
jetzt auch schon in einen Ibrahimovic-Boulevard
umbenannt worden ist?
Wenige Minuten
später hatte sie jenes »Rondell« aus Sitzbänken erreicht, das sie
schon längere Zeit nicht mehr
gesehen hatte, sie war einfach nicht mehr dazu gekommen; mangels
Zeit, mangels Geld.
Mit ihrer Tüte rechts neben sich nahm sie auf der oval verlaufenden
Bank Platz und ließ die Blicke schweifen. Mein Gott, hat sich die
Zahl der Schleiereulen erhöht seit letztem Mal! Aber
ich bin ja jetzt auch schon eine, schoß
es ihr durch den Kopf.
Orangefarbener
Niqab, hat
Papa gesagt. Ich
krieg mich ja nicht mehr ein. Da kann sie ja gleich beim
Straßenbau anfangen statt in der Metzgerei ihres Papas. Ist die
jetzt halal?
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Sonja in Sarajevo - mal nicht in Grün ... |
Enthusiastisch
riß sie die Arme hoch und winkte, als eine orangene Säule sich von
Ferne näherte und sich
durch den Sehschlitz suchend umsah.
Ah, die Säule
hat genickt und nimmt Kurs auf mich …!
»Hallo,
Schwester!« tönte es ironisch aus der orangenen Säule, und »Hallo,
Schwester Fatima!« antwortete Sonja in ähnlichem Tonfall. »Nimm
Platz!«
Fatima
machte es sich neben Sonja bequem. Auch sie trug eine voluminöse
Tragetasche, die sie jetzt nicht ganz ohne Mühe neben sich auf die
Sitzbank wuchtete. Scheint deutlich schwerer zu sein als meine …
»Danke.« Fatima
schien erleichtert.
»Hübsches Kleid
hast du.«
»Danke. Bin froh,
daß ich mir wenigstens meine Vorliebe für bunte Farben bewahren
konnte. Meinen Namen konnt' ich ja leider nicht behalten. ›Maria‹,
das geht gar nicht. So bin ich jetzt halt Fatima, das ist das
Fatale.«
Beide kicherten.
»Ich wußte gar
nicht, daß du mittlerweile auch eine … ›Schwester‹ geworden
bist.« Wir sehen wirklich aus wie Nonnen, ging
es Sonja durch den Kopf. »Ich dachte, auf dem Land hat man
Ruhe vor den Moschee-Schnüfflern.«
Ein Seufzen entrang
sich der orangenen Stoffsäule. »Ach, wenn's doch nur so wäre! Aber
die sind überall – na ja, fast überall. Wir mußten auch
bald konvertieren. Siehste ja. Aber auf dem Land gibt’s doch noch
ein paar unbeobachtete Freiräume. Sonst wär das nicht möglich, was
wir hier machen.«
Sonja kicherte.
»Hast ja recht. Bin ja mittlerweile auch … ›so eine‹ geworden.
Gefallenes Mädchen sozusagen. Gefallen in die Unterwerfung. Aber
jetzt das Geld der Gaudis zu nehmen, um den Weihnachtsbraten zu
bezahlen, das gefällt mir.«
»Hast du die
Klamotten dabei?«
»Ja, schau hier.«
Sonja öffnete die Tüte und ließ Fatima hineinblicken. »Eigentlich
sind die Sachen mehr wert.«
Fatima sandte ihr
einen schrägen Blick durch ihren Sehschlitz.
»Die Nachfrage hat
stark nachgelassen. Es gibt nur noch wenige Gegenden, wo man oder
vielmehr frau so was tragen kann. Viele wollen verkaufen, nur wenige
kaufen. Tja. Mehr als eine Flasche mittelprächtigen Schampus für
Silvester und drei Flaschen Bier für den Braten und zum Trinken kann
ich dir dafür leider nicht geben, sagt Papa.«
»Und der Braten?«
»Vom Feinsten. Mit
richtig schöner Kruste. Garantiert. Mein Papa versteht sein Handwerk
immer noch bestens.«
Sonja nestelte einen
Zwanziger aus ihrem Portemonnaie und reichte ihn Fatima verstohlen.
Die ließ ihn schnell in ihrem Gewand verschwinden.
»Das Weihnachtsgeld
von den Gaudis!« kicherte Sonja wieder.
»Sei froh, daß du
nur 20 Euro dafür loswirst. Sag deinem Papa, alles ist wegen der
Risikoprämie so teuer geworden, daß du 40 Euro dafür ausgeben
mußtest. Die 20 Euro Differenz steckst du ein.«
»Was soll ich!?«
»Du hast schon
richtig gehört. Du sollst das Geld ja nicht verjuxen – mach's wie
ich: Spare, bis du 300 Euro für einen … na, sagen wir:
Reisebegleiter beisammen hast, als Anzahlung sozusagen. Der kann uns
nach Deutschland schleusen.«
»Nach Deutschland?
Geht das denn überhaupt?« fragte Sonja erstaunt.
»Ich denke doch!«
ließ Fatima ein optimistisches Lachen hinter ihrem Gesichtsvorhang
erahnen. »In Berlin gibt’s einen Pfarrer, der schon hunderte von
Moslems zu Christen gemacht hat. Er fragt sie dann immer bei der
Taufe: ›Entsagst du dem Bösen, entsagst du vor allem auch dem
Islam?‹ Ist ja fast dasselbe, aber pro forma fragt er immer
zweimal.«
Leises Gelächter.
»Aber wir sind ja
schon getauft«, wandte Sonja ein, »und über einen reuigen Sünder
ist im Himmel mehr Freude als über 99 Gerechte. – Aber meinst du,
wir schaffen das alleine?«
»Ja! Bestimmt! Sag
bloß deinem Papa nichts! Wir müssen das alleine hinkriegen, wir
Frauen – unsere Väter sind dazu zu dusselig. Die können wir
später nachholen – mit dem ganzen Rest der Familie. Mein
Kontaktmann hat sogar gesagt, er
könne mir einen Job in Deutschland besorgen, leicht, bequem, gut
bezahlt …«
»Wenn du meinst …«,
sagte Sonja mit leise aufkeimendem Zweifel. »Aber jetzt muß ich
heim. Wir bleiben in Verbindung! Schöne Feiertage!«
»Dir auch! Alles
Gute!«
Die zwei Stoffsäulen
umarmten und knuddelten sich zum Abschied. Sonja ergriff die für sie
bestimmte schwere Tüte und ließ sie unter ihrem weiten Gewand
verschwinden, wandte sich heimwärts, ohne noch einmal
zurückzublicken. Das ist die Zukunft, dachte
sie. Frau hat nix mehr zu sagen, Vorhang zu vorm
Plappermäulchen, aber immer einen dicken Schwangerbauch vor
sich herschieben.
Sie bekam nicht mehr
mit, wie ein Mann »im Nachthemd«, wie sie es genannt hätte, und
mit »Gesichtsmatratze« ihr lange nachschaute und dann mit seinem
Handy ein längeres Telefonat führte.
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Fatima in Sarajewo - kurz vor ihrem Aufbruch zu Sonja mit dem Schweinebraten :-) |
(Kunde in der Metzgerei: »Ich hätte gerne 200 Gramm Mettwurst von der Fetten, Groben!« - »Die ist heut' in der Berufsschule!«)
Ich wünsche allen ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein frohes neues Jahr!