27.10.22

»Die Sklavinnen von Tanger« wärmen uns an kalten Tagen, wenn's sonst keiner mehr kann ... (Frankfurter Buchmesse, Bericht 2. Teil)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In Tanger ist's auch ohne Öl und Gas ganz gemütlich ... Schöner Platz zum Überwintern :-) 

»Das ist nicht Ihr Ernst?« Eine feministisch wirkende Besucherin kam aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus. »Die Sklavinnen von Tanger!« entrüstete sie sich und marschierte von dannen.

Aber der Reihe nach. 

DO, 20.10.'22:

Mein letzter Morgen im Waldhotel. Ich packte meinen Kram zusammen und schleppte ihn zur Trambahn; das Auto ließ ich am Waldrand stehen.

Für den öffentlichen Nahverkehr in Frankfurt muß man jetzt als Aussteller auf der Buchmesse übrigens extra zahlen, der Ausstellerausweis gilt nicht mehr als Fahrausweis.

Die Jugendherberge Frankfurt hatte erst ab Donnerstag ein Bettchen für mich freigehabt, sonst wäre ich von vornherein dort eingekehrt. (Mein Messegirl 2009 hatte vorgeschlagen, im Wohnwagen anzureisen und nahe dem Messegelände zu kampieren. Nun ja …)

Ich stieg nahe der JH aus der Tram, deponierte dort meinen Kram und spazierte weiter über die nahe Mainbrücke nordwärts. 2009 und 2010 gingen wir, mein Messegirl bzw. -boy und ich, dann weiter geradeaus bis zur Konstablerwache und fuhren von dort fünf Stationen weit mit der S-Bahn bis zum Messeeingang Torhaus, ideal gelegen für jemanden in Halle 4.

Jetzt ging ich halblinks zur U-Bahn-Station „Dom/Römer“ und fuhr drei Stationen weit bis zur Station „Festhalle/Messe“, durch den City-Eingang der Messe und ein Stück weiter als damals bis in Halle 3.0.

Gegen 12 traf ich an meinem Stand ein, und ich hatte wohl nicht viel verpaßt. An keinem der restlichen Messetage traf ich pünktlich ein, meist erst gegen 10 (statt 9). Besser gut geschlummert und gefrühstückt, als sich weitgehend nutzlos auf der Messe den Arsch plattzusitzen oder die Beine in den Bauch zu stehen.

Jemand hatte meinen Papierkorb gemopst …

Ich war lausig in Form. Die meisten Spaziergänger überholten mich, und ich schaffte es in der Jugendherberge nicht einmal mehr, aufs „Oberdeck“ eines Doppelstockbetts zu klettern … Der „Unterdeckinhaber“ erklärte sich freundlicherweise bereit zu tauschen, und morgen würde ich ein anderes Zimmer kriegen, erklärte er nach einem Gespräch mit der Rezeption. Außerdem meinte er, ich solle nicht nur morgens, sondern auch abends duschen, „sonst kriegt hier keiner mehr Luft und kommt keiner mehr zum Schlafen“. (Wenn das der Habeck hört oder gar unser Waschlappen-Kretschmann!)

Meine Dusche scheint ein voller Erfolg gewesen zu sein, denn meine drei Zimmergenossen schliefen wie die Murmeltiere – nur daß die sicher nicht so schnarchen. Die ganze Nacht! Vielleicht war es doch keine so gute Idee, die Mitgliedschaft im Jugendherbergswerk zu erneuern, dachte ich. Schließlich war ich vor zwei, drei Jahren nicht ohne Grund ausgetreten. Im Laufe von rund 25 Jahren hatte ich rund 1000 € an Mitgliedsbeiträgen abgedrückt und kaum zwei Dutzend Mal in Juhes übernachtet, immer wieder schon bald abgetörnt und was anderes suchend; da hätte ich mir auch gleich ein billiges Hotel suchen können, den Mitgliedsbeitrag in den Übernachtungspreis mit eingerechnet …

Nur mäßig erholt wankte ich am FR, 21.10.'22, zum Frühstück.

Heute war der erste Tag mit „Eintritt für alle“, nicht mehr nur fürs Fachpublikum. Früher war das allgemeine Publikum erst am Samstag zugelassen. Null Verkäufe hatte ich an den zwei Fachbesuchertagen gehabt.

Abends erst mal gemütlich essen gehen, dann zog ich in mein neues Zimmer um.

Mein neues Zimmer war ein Zweibettzimmer, aber ich war der einzige Gast darin. Es ging nach hinten raus, auf die Party- und Kneipenmeile Sachsenhausen. Da war natürlich in den Nächten von Freitag auf Samstag und von Samstag auf Sonntag das lärmende Partyvolk zu hören, bis der Morgen graute. (Herrlicher Ausdruck: „Morgengrauen“. Beschreibt sehr gut den Ekel vor dem frühen Aufstehen.)

Als ich es nicht mehr brauchte, entdeckte ich am Eingang der JH einen Spender mit Ohrenschützern, so so …

SA, 22.10.'22:

Jetzt ging es richtig los mit dem Publikumsgewusel – und auch mit den Verkäufen. Allerdings in sehr bescheidenem Rahmen. Mit etwa 150 Büchern war ich gekommen, mit etwa 100 Büchern ging ich wieder – und mit etwa 100 € mehr im Beutel, denn mehr als 2 € pro Buch hatte ich zuletzt nicht mehr verlangt; nur anfangs 5 € pro Neuerscheinung. Da wollte dann ein einziger, der erste Kaufwillige überhaupt, Freitag, ein 5-€-Buch mit einem Fünfziger bezahlen, und ich hatte nicht genug Wechselgeld. Er wollte gegen Abend noch mal wiederkommen, kam aber nicht.

SO, 23.10.'22:

Endspurt. Viele belustigten sich über den Hingucker „Ursel an die Leyne!“, manche fotografierten das Cover auch, manche auch mich in meinem Kilt, und endlich wurde ich auch einigermaßen Bücher los, wenn auch nur zum Billigstpreis.

An sich solle man die Sitzschränke bis Sonntag abend 24 Uhr geräumt haben, damit die Arbeiter der Messe gleich Montag morgen loslegen können, aber ich werde einen Teufel tun und mir den Sonntagabend versauen lassen. Der gehört Speis und Trank, und dann gemütlich ausschlafen …

MO, 24.10.'22:

In der JH auschecken, meinen Krempel zur Trambahn schleppen (auch noch einen Kilometer mehr als nötig, weil ich den falschen Weg genommen hatte), mit der 16 nach Oberrad, dort weitermarschieren bis an den Waldrand, Gepäck ins Auto, und nach rund 80 Minuten voller Umwege stand ich endlich auf dem Parkdeck 4.3. Nahe dem Messeturm war ich sogar unter dem bereits aufgebauten Starttor für den Frankfurt-Marathon nächsten Samstag durchgefahren. Auch schon wieder elf Jahre her, daß ich da mitlief und als einer der Letzten finishte …

In einer ersten Fuhre rollte ich die Sitzhocker mit den verbliebenen Büchern zum Parkdeck. Wer hat sich das ausgedacht, daß man vom Lift noch drei Stufen hochgehen und dafür alle Rollwagen entladen muß? Die Arbeit immer wieder unterbrochen durch ein Drittelliter-Leffe … Ein Arbeiter am Nachbarstand fragte sogar, ob ich ein Nickerchen halten wolle. Nö, wollte ich nicht.

Eine weitere Fuhre und ein letztes Bierchen … Aber jemand hatte mir den letzten Viererpack oben auf dem restlichen Gepäckberg gemopst. Frechheit! Warum heißt es eigentlich „Stehlen wie die Raben“? Die Leut' auf der Buchmesse sind doch viel schlimmer …

Kurz vor Karlsruhe nachtanken; der Liter E 10 kostete unverschämte 2,33 €, rund 50 Cent mehr als zwei Tage später an meiner Horber Stammtankstelle. Jetzt ist der Wunschtraum der Grünen – 5 Mark pro Liter Sprit – fast erreicht, dachte ich mir. In der späten Abenddämmerung rollte ich ins Neckartal bei Horb herab, während es auf den Bergen dahinter immer heftiger wetterleuchtete. „Palmer hat die OB-Wahl in Tübingen gewonnen“, tönte es auf dem Deutschlandfunk, bevor alles im Knistern unterging und ich das „Koe23“ ansteuerte, um der Reise mit Wurstsalat und Bier einen runden Abschluß zu bereiten. 

Ach, fällt mir gerade auf, wir haben noch gar kein Abschlußbildchen hier. Mal eben suchen ... Da ist eins: 


 


 

Sieht aus wie ein Goliath-Girl, die gute Alyssa (Bild: Tante Wiki, wie üblich). Hach ja ... die gute alte Zeit! »Goliath erobert die Welt« tönte der Frankfurter ... äh ... Bildbandverlag mit Ableger in den USA 2010, überschwemmte die Messe mit Postern à la Bild links, die Goliath-Messegirls, die »Standmiezen«, wie mein Messeboy von damals sie nannte, mit Minirockpflicht und »Partypflicht«, wie eine uns gegenüber klagte (»Ich krieg kaum Schlaf!«), jeden Abend gegen Messeschluß knallten die Schampuskorken - aber schon damals gab's Probleme: »Die Bahnhofsbuchhandlungen grenzen uns zunehmend aus, nennen uns schmuddelig.« - Und jetzt sind sie gar nimmer auf der Messe, die Goliaths. So ein Auftritt wie ihrer kostet auch locker 10.000 €.  

NACHTRAG: 

Skeptischer männlicher Betrachter des Marterpfahl-Sortiments: »Sieht ja ziemlich hetero aus. Vor Jahren hatte [der schwule] Buchladen Männerschwarm noch etliche Marterpfahl-Bücher im Sortiment.« Vor Jahren gab's noch meinen Ersttitel Ins Röckchen gezwungen und locker ein, zwei Dutzend schwule Buchläden in Deutschland. Alles weg ... 

Frau passiert in zwei Metern Entfernung auf dem (jetzt viel breiteren) Gang: »Aha, hier beginnt die Schmuddelecke der Buchmesse ...«

Frau wird von Begleitern aufgemuntert, doch bei Marterpfahl was billig zu kaufen, bölkt frontal in meinen Stand: »Nein! So einen Scheiß kaufe ich nicht!« 

Der oben erwähnte Werbefuzzi: »Wir müssen weitermachen, auch wenn man uns immer neue Knüppel zwischen die Beine wirft wie z. B. dieses neue Verpackungsgesatz.« Das war am 1.7. in Kraft getreten und hatte mich kalt erwischt; erst wenige Tage vor Inkrafttreten erfuhr ich davon. Dabei liefere ich ja mittlerweile »fremd aus« und bringe fast keine Verpackungen mehr in Umlauf, und wenn, dann sind's recyclete Altverpackungen, genau wie bei dem Werbefuzzi. So redete auch meine deutsche Druckerei, wußte von nix, meine polnische erst recht nicht ... 

Ich im Kilt im Aufzug der Juhe, unterwegs zur zweiten Etaasch. Wie heißt's so schön: »... Kind fiel aus der zweiten Etaasch auf Aasch und weg waarsch.« Oder so ähnlich. Frau mit Tochter, vielleicht sieben, mit mir in der Kabine. Kabine hält in der ersten Etaasch, Tür geht auf, Frau kommdiert Tochter: »Raus!« Beide verschwinden um die Ecke, ich kann noch hören, wie die Tochter sagt: »Mami, hast du Angst vor dem Mann?«

So, und das war's nun wirklich. Wie üblich sorry für die Unregelmäßigkeiten im Satz - die lassen sich kaum vermeiden, wenn man einen längeren Text von der Textverarbeitung hier reinkopiert, statt ihn direkt online zu schreiben. 

Ciao! 

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