12.1.10

Schräge Parallelen oder: Sinn und Unsinn der Polit-Bloggerei

»Gestern Muslime, heute Deutsche« tönt ein populäres Blog. Hintergrund: Einige in der Schweizer Volkspartei hätten nach dem Minarettverbot Oberwasser und redeten einer Zuzugsbeschränkung der vielfach ungeliebten Deutschen das Wort. (»Diese reichsdeutsche Schlampe, die auf UNSEREM Sozialamt über die Sozialhilfeleistungen UNSERER Bürger entscheidet!« grollt ein Schweizer Autor meines Verlags des öfteren.)

Nanu, frage ich mich, hab ich da irgendwas verpaßt? Haben die Schweizer über Zuzugsbeschränkungen für Muslime abgestimmt oder über Moschee-Bauverbote? Nein, es ging nur um das bauliche Detail namens »Minarette«, was immer die fürs Verbot stimmenden Schweizer dabei auch im Hinterkopf gehabt haben mögen. Bislang sind Zuzugsbeschränkungen für EU-Ausländer nur ein Diskussionsgegenstand; ob daraus eine Volksabstimmung wird und wie diese dann ausgeht, das steht noch in den Sternen. Und selbst wenn die Schweizer für Zuzugsbeschränkungen votierten – na und? Dann haben wir den Zustand wieder, den wir jahrzehntelang als ganz selbstverständlich akzeptiert hatten: daß nämlich Deutsche nur mühsam eine Daueraufenthaltsbewilligung für die Schweiz erhalten. Die Schweiz ist eben noch ein voll souveränes Land, und genauso wie ein Wohnungsinhaber selbst »souverän« darüber befinden kann, wer in seine Wohnung reindarf und wer nicht, genauso dürfen das souveräne Staaten. Die EU-Länder haben hier Teile ihrer Souveränität in Brüssel abgegeben. Vorteil? Nachteil? Klar finde ich das »grenzenlose« Reisen und Sich-niederlassen-dürfen schön – aber es kann eben auch seine Schattenseiten haben.

Minarettverbot: Diskriminierend? Möglicherweise. Deswegen wird sich ja auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte damit befassen. Die Religionsfreiheit beschneidend? M. E. nicht, da Minarette für muslimische Gottesdienste ebenso wenig zwingend nötig sind wie Glockentürme für christliche.

Ist es zulässig, über Grundrechte, deren Einschränkung oder Erweiterung demokratisch abzustimmen? Das ist die Gretchenfrage, in der Tat.

Nehmen wir doch einmal das gute alte Grundgesetz her: In Artikel 19 heißt es, daß Grundrechte per Gesetz eingeschränkt werden dürfen, allerdings nicht »in ihrem Wesensgehalt«. Ist es der Wesensgehalt des Islams, daß Muezzine von Minaretten rufen? Andererseits stünde einem Minarettverbot in Deutschland das Diskriminierungsverbot von Art. 3 GG im Wege.

Wenn es um die Benachteiligung von Christen in muslimischen Ländern geht, etwa um Kirchenbauverbote, wird oft gesagt, man dürfe nicht hier intolerant gegenüber Moscheen und Islam sein, auch wenn dort Intoleranz gegenüber Christen herrsche. Darf man nicht? Art. 18 GG betont, wer die Freiheiten des Grundgesetzes zum Kampf gegen diese Freiheiten mißbrauche, der verwirke diese Freiheiten. Das richtete sich natürlich damals – 1949 – vornehmlich gegen den Kommunismus, auch gegen die Wiederbetätigung von Ex-Nazis – aber kann man nicht auch den Islam möglicherweise als religiös-politische Ideologie betrachten? Im föderalistisch organisierten Nigeria haben die nördlichen, islamischen Bundesstaaten allesamt die – verfassungswidrige – Scharia eingeführt, richtig »schön« mit Handabhacken, Steinigen und allem Pipapo, etwa wilden Predigern, die UN-Impfkampagnen für antimuslimisches Teufelszeug halten u. dgl. mehr. Haben wir ein Glück, daß wir nicht in Nigeria leben – oder in Malaysia, wo man als Nichtmuslim demnächst vielleicht nicht mal mehr Jehova ... äh, Allah sagen darf ... ;-)

Aber für manchen befindet man sich mit einem Minarettverbot schon auf einer schiefen Ebene, auf der man dann schließlich in Uganda landet, wo man »demokratisch« über die Todesstrafe für Schwule entscheiden oder debattieren will. Eine absurde Parallele, meine ich. Für mich gibt eine andere Parallele mehr Sinn: Je mehr Moslems, desto mehr Schwulenfeindschaft. Ein türkischer Arbeitskollege, den ich Ende der 90er Jahre mal hatte, war eigentlich ganz nett – nur wenn’s um Gottes Gebote ging, wurde er fanatisch. Und am Tag nach dem CSD sagte er mir: »Hast du gestern im Fernsehen diese ganzen Schwulen gesehen? Ist das eklig – die sollte man alle abschießen!« Nicht umsonst gibt es die schärfsten Anti-Schwulen-Gesetze (die Lesben werden mal wieder kaum oder gar nicht bestraft) in muslimischen Ländern. Die meisten christlichen Länder haben sich von antiquierten Homosexualitätsverboten befreit. (Die BRD seit etwa 1970. Zuvor konnten Schwule ins Gefängnis wandern – und niemandem wäre es in den 50er Jahren in den Sinn gekommen, die BRD deswegen etwa für undemokratisch zu halten. Etwa 1997 bestätigte der Europäische Gerichtshof im britischen »spanner case«, daß ein Staat sehr wohl das Recht habe, bestimmte sexuelle Praktiken – in diesem Falle waren’s ziemlich heftig agierende schwule SMer – zu untersagen. Illiberal? Gewiß. Aber gesetzeskonform und u. U. durchaus demokratisch. Demokratie und Liberalismus sind eben zwei Paar Stiefel; oft ist die Bevölkerungsmehrheit nicht sonderlich liberal).

Biedermann und die Brandstifter? »Und hinterher will es wieder keiner gewesen sein« – wenn jemand umgebracht wird? Nein, dieses Paar Stiefel zieh ich mir nicht an. Nur weil ich skeptisch gegenüber der Einwanderung bin, insbesondere gegenüber muslimischer und Armutsmigration, muß ich mir nicht sagen lassen, ich sei ein geistiger Brandstifter und ein Herz und eine Seele mit jenen Alfred Tetzlaffs, die z. B. auf »Politically Incorrect« ihre haßerfüllten Kommentare ablassen.

Druck erzeugt Gegendruck. In dem Moment, wo der Einwanderungsdruck aus Afrika nachläßt, werden auch die z. T. rabiaten und inhumanen Abwehrmaßnahmen dagegen überflüssig werden. In weiten Teilen Afrikas herrscht schiere Not? Ja. Und es ist menschlich verständlich, daß dann viele ins vermeintlich gelobte Land, d. h. nach Europa streben. Europa kann aber nicht das Sozialamt für die Dritte Welt sein. Das ist zu viel verlangt. Deutschland solle endlich anerkennen, daß es ein Einwanderungsland sei? Prima – dann machen wir das doch! Die alten Einwanderungsländer Australien und Kanada machen uns vor, wie es geht: Wer ein paar Milliönchen zum Investieren und Arbeitsplätze-schaffen im Gepäck hat oder gesuchte Qualifikationen, der wird genommen, ein analphabetischer afrikanischer Hungerleider wird abgewiesen. Hart, aber realistisch. Denn die dortigen Politiker haben sicher einen ähnlichen Eid geschworen wie die deutschen: das Wohl des jeweils eigenen Volkes zu mehren und zu sichern – nicht das von Obervolta oder Bangla Desh.

Die europäische Haltung zur Armutsmigration ist – ähnlich wie die US-amerikanische – verheuchelt und verschwiemelt. Einerseits Mißbilligung, andererseits ist man doch irgendwie froh, wenn man für miese Arbeit, die sonst keiner machen will, jemanden hat ...

Besonders die Wirtschaft. Als im Dezember 1989 die Migration von Ost- nach Westdeutschland auch nach der politischen Wende noch weiter anschwoll, begann die Stimmung im Westen umzuschlagen: »Kritische Mitbürger ja – Anpasser und Lohndrücker nein« schrieben westdeutsche Arbeiter einer Fabrik auf ein Transparent – die spürten den Druck ja unmittelbar, nicht die wohlmeinenden Soziologieprofessoren auf ihren unkündbaren Lehrstühlen.

Die Krawalle gegen afrikanische Migranten in Süditalien werden mitunter in direkten Zusammenhang mit ausländerfeindlichen Parolen auf »Politically Incorrect« gebracht – dabei haben die ortsansässigen süditalienischen Kleinstädter von dieser deutschsprachigen Website gewiß noch nie was gehört. Wovon sie aber was verstehen, das sind die Krakenarme des organisierten Verbrechens.
Wieder einmal möchte ich ganz andere Parallelen und Verbindungen ziehen. Ich brauche noch nicht mal lange zu suchen, ein Zitat aus diesem Zeitungsartikel genügt vollkommen:

»Viele Migranten werden von der 'Ndrangheta, dem kalabresischen Arm der Mafia, für kriminelle Aktionen eingesetzt. Nur die Hälfte der Migranten hat eine Aufenthaltsgenehmigung.«

Seit Roberto Savianos »Gomorrha« wissen wir, daß die Mafia im Grunde nichts weiter ist als ein besonders effizient arbeitender kapitalistischer Wirtschaftszweig, befreit von jenen gesetzlichen Hemmungen, die der legalen Wirtschaft auferlegt sind. Wenn sie nun die illegalen Immigranten als Hebel benutzt, um die Lohndrückerei in den Orangenplantagen noch zu forcieren und Einheimische zu verdrängen, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Situation irgendwann eskaliert ...

Fassen wir noch einmal zusammen:

1.) Afrikaner reisen zumeist illegal nach Italien ein ...

2.) ... halten sich dort meist illegal auf ...

3.) ... arbeiten oft ohne Arbeitsgenehmigung ...

4.) ... teilweise im Dienst der organisierten Kriminalität ...

5.) ... verdrängen einheimische Arbeitskräfte ...

... und wenn bei denen dann die Nerven blank liegen und ein Schuß fällt, dann ...

6.) ... stecken die Afrikaner Autos in Brand und zertrümmern Schaufenster (wie in den französischen Banlieues), auch wenn kein Zusammenhang zwischen Laden-/Autobesitzern und den schießenden Einheimischen/Ausbeutern besteht ... (MSN-News)

... und dann wundert man sich, wenn die Einheimischen ihrerseits ausrasten und allerlei nicht Entschuldbares tun.

Die Afrikaner demonstrieren für bessere Lebensbedingungen? Verständlich – aber strenggenommen dürften sie noch nicht mal in Italien anwesend sein, wenn es nach Recht und Gesetz zuginge ...

Wäre all das passiert ohne die Anwesenheit der Afrikaner? Nein. Und was lernen wir daraus? ICH schlußfolgere daraus, daß multikulturelle Gesellschaften nichts Erstrebenswertes sind. Weil es eben immer wieder Knatsch gibt. Wo es sie schon gibt, diese multikulturellen Gesellschaften, da muß man irgendwie damit klarkommen – aber sie herbeiwünschen, wenn man sie vermeiden kann? Wo sollte da der Vorteil liegen (... außer für die Mafia)?

PS: Der aktuelle SPIEGEL berichtet über das Buch eines italienischen Journalisten namens Gatti: »Bilal. Als Illegaler auf dem Weg nach Europa«. Der hatte sich als »Illegaler« verkleidet und auf den lebensgefährlichen Weg durch die Sahara und das Mittelmeer gemacht. Schließlich landete im italienischen Flüchtlingslager auf der Insel Lampedusa, wo er medizinisch versorgt, aber auch unter Schlägen gezwungen wurde, in Fäkalien zu sitzen. Schlimm wie Guantanamo. Illegal. So illegal wie die Masseneinwanderung. 1980 gab es das alles noch nicht: Nicht den »Einwanderungsdruck« und nicht das Lager Lampedusa.

Gatti: »Eine Zeitlang bin ich mit einem ägyptischen Historiker gereist. In seiner Heimat verdiente er keine 40 Dollar im Monat, was hätte er für eine Wahl?« Umsatteln vielleicht – notfalls auf Taxifahrer? Was gehen Europa die unzureichenden Verdienstmöglichkeiten ägyptischer Historiker an? Gatti: »Was willst du machen, wenn du Tag für Tag sehen mußt, wie deine Kinder weinen, weil sie nichts zu essen haben?« Sich ans »Sozial- und Arbeitsamt Europa« wenden, weil die Heimat keins hat? Wo sind eigentlich die vielen Milliarden Euro Entwicklungshilfe versickert, die Europa seit 1960 in Afrika versenkt hat? Alles in den Privatschatullen der korrupten Mobutus und »Kaiser Bokassas« und dann auf irgendwelchen Schweizer Nummernkonten?

Gatti: »Fast ein Viertel der italienischen Wirtschaft lebt von diesen Illegalen. Davon, daß sie rechtlose, billige Arbeiter sind.« Sind sich die Befürworter massenhafter Einwanderung bewußt, daß sie indirekt Lohndrückerei und Sozialdumping befürworten?

Fragen über Fragen ...

PPS: ... die eigentlich keiner beantworten kann. Manchmal beschleicht mich der Verdacht, die Politiker haben das »Netz 2.0« mit all seinen Blogs und Laberplattformen erfunden, so nach dem Motto »dann fetzen sie sich an diesen virtuellen Stammtischen, sind beschäftigt und fühlen sich als demokratische Öffentlichkeit, und wir können in Ruhe durchsetzen, was wir durchsetzen wollen.« In der Tat: So wichtig sich manche Blogger auch fühlen - von dem, was sie tun, fällt in Berlin kein Sack Reis um, und kein Politiker hebt deswegen für oder gegen ein Gesetz die Hand. (... und in Brüssel schon gleich gar nicht)

Wem nutzt also die ganze Polit-Bloggerei? Den Bloggern wahrscheinlich am wenigsten. Die verlieren eher:

a) Zeit (die sich mit anderem wahrscheinlich sinnvoller nutzen ließe)

b) das Wohlwollen von Leuten, die sie vielleicht noch brauchen ...

Deswegen wird das hier bis auf weiteres mein letztes politisierendes Posting bleiben. Die Blogger sind nichts als die Schaumkrone auf dem Pils der von Profijournalisten solide recherchierten Fakten, schrieb ich vor Monaten. Na, dann genieße ich doch fortan das wohlschmeckende Pils von Deutschlandfunk und FAZ. Das Schäumen überlasse ich vorläufig anderen.

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